Meine erste Wunschfahrt
Wir mit ein paar Gedanken von unserer „neuen“ Ines teilen. Ines ist ein „alter Palliativhase“ und war vor Ihrer ersten Wunschfahrt aufgeregt, wir es jede/r einzelne von uns auch war.
Sie hat ihre Gedanken zusammengefasst und diese dürfen wir mit Ihnen teilen.
Meine erste aufregende Wunschfahrt
Ausflug einer 45-jährigen Mutter mit ihrer 6-jährigen Tochter und ihrem Mann in den Augsburger Zoo.
Momente, in denen ich spürte, was meine immense Aufregung verursacht hatte:
• als ich freie Tage für eventuelle Wunschfahrten an Sonja (unsere Koordination für die Wunschfahrten) weitergab und damit definitiv dabei war. Ich träumte die gesamte darauffolgende Nacht von Fahrten mit dem Wünschewagen. Dabei waren es allesamt positive Träume, ohne Angst meinerseits, dem nicht gewachsen zu sein.
• In den Tagen vor meiner ersten Wunschfahrt hatte ich ständig die Sorge, den richtigen Tag, die richtige Zeit und das notwendige „Drumrum“ korrekt im Blick zu haben, weil ich wusste: „Wir sind EIN Team“ (das blieb mir von der Schulung sehr eindrücklich im Bewusstsein) und somit alle gleich wichtig! Damit verbunden spürte ich jedoch nicht nur den Aspekt, „wir helfen alle zusammen“, sondern auch die andere Seite: „wir alle tragen die gleiche Verantwortung für eine große Sache!“. Da wollte ich mich zu 100% verlässlich zeigen!
• Ich war bis zum betreffenden Morgen gefühlt ruhig vor meiner ersten Begleitung der Wunschfahrt. Meine Fitnessuhr, welche ich erst vor ein paar Tagen geschenkt bekommen hatte, bescheinigte mir allerdings einen verhältnismäßig hohen Puls während meiner Schlafphasen in der vorhergehenden Nacht mit weniger Erholungswert. Offensichtlich war mein Unterbewusstsein doch nicht so ganz entspannt.
• Während meiner Fahrt nach Kaufbeuren bemerkte ich eine zunehmende Anspannung, die sich anfühlte, als hätte ich eine große Aufgabe zu bewältigen und keine Ahnung, wie mir das gelingen würde (ähnlich der Situation 2011, als ich bei einem Kongress in Dessau einen Vortrag über Palliativpflege vor 240 Menschen gehalten habe). Ich war zwar pünktlich losgefahren, hätte mir angesichts des Berufsverkehrs aber mehr Luft gewünscht (werde ich nächstes Mal einplanen!).
• Punktgenau in Kaufbeuren angekommen war ich überrascht, als Sonja mich herzlich in den Arm nahm und mir erstmal zum Geburtstag gratulierte. Mir schossen Gedanken durch den Kopf wie „stimmt, der war ja auch, aber ich bin doch jetzt gar nicht so wichtig!“ Oder Dinge wie „wo ist das Team? Der Plan? Die Checkliste? Die Kleidung? Wo war das Klo nochmal? Was muss ich jetzt tun? Proviant… wie war das nochmal?“
• Sonja fragte dann, ob ich aufgeregt sei, was mich ums Haar in Tränen ausbrechen ließ… ich konnte es mir zu diesem Zeitpunkt nicht erklären, aber ja… mein Gott… ich war ganz furchtbar aufgeregt und es beruhigte mich nicht, dass dies auch nach außen so sichtbar war… Plötzlich bekam ich Angst davor, ich würde mich viel zu wichtig nehmen… dem Team als Neuling mehr Arbeit in der Einarbeitung machen, statt eine Hilfe zu sein… Es beruhigte mich nur, dass diese Aufregung laut aller Beteiligten „vor der ersten Fahrt ganz normal“ sei. Ich hoffte nur inständig, dass ich mich wieder einkriegen würde!
• Auch der Augenblick, als ich MEINE Sicherheitsschuhe bekam… eine Diensthose… ein Poloshirt und eine Jacke, welche mich laut der Aufschrift zu einem echten Wunscherfüller machte… war rückblickend bezeichnend für mein inneres Aufgewühlt sein: Jahrelang schon bewundere ich die Menschen, die sich dieser Aufgabe annehmen. Wunscherfüller für schwerstkranke Menschen sein zu dürfen, war und ist für mich ein bisschen wie ein Tag lang Christkind sein… Und nun hatte ich plötzlich wirklich selbst die Ehre, in diese Rolle reinzuschlüpfen (im wahrsten Sinne) … welch ein Moment! Und ich fühlte mich dieser Ehre noch nicht würdig… hatte sie mir noch nicht verdient… wusste nicht, wie ich in dieser Kleidung aussehe, wusste nicht, ob es mir gelingen würde, die Rolle eines Wunscherfüllers gut zu „bekleiden“ (auch im übertragenen Sinne… da hätte mir ein großer Spiegel in der Umkleide zur Orientierung geholfen!), diesen, unendlich wichtigen Tag, mit all seinen Facetten so gut zu unterstützen, wie ich mir das für mich und alle Beteiligten wünschte…
• Die eigene Aufregung, in einem Krankenwagen mitfahren zu dürfen fühlte sich in etwa so an, wie es mir als Kind am Sommerfest ging, wenn ich im echten Feuerwehrauto mitfahren durfte! Und jetzt war ich sogar in Uniform durfte alles anfassen, aufmachen, benutzen, ja… sollte im besten Fall unserem Fahrgast suggerieren, dies alles im Griff zu haben, damit sie sich sicher fühlen durfte!
• Ich musste meine Aufgaben sehen können, die im Team nicht klar definiert und somit meiner eigenen Intuition überlassen waren.
• der Moment, als die Familie sich schon bei der Ankunft bedankte und ich immer dachte „Nein, nicht bei mir, die anderen zwei sind die wirklichen Helden!“
• Ein unangenehmer Moment war die Erkenntnis, dass wir nur eine Begleitperson mitnehmen konnten (in dem Fall das 6-jährige Kind), was der Mann nicht wusste, keinen Führerschein hatte und in der Not ein Taxi für über eine Stunde Fahrt nehmen musste… es war deutlich sichtbar, dass sie das Geld eigentlich nicht hatten… Im ersten Moment hätte ich am liebsten gesagt „kein Problem, ich nehme das Mädel auf den Schoß!“ oder „Fahren Sie mit, machen Sie sich einfach einen unbeschwerten Tag mit Ihrer Familie… ich bleib so lange bei den Schwiegereltern!“… Klar, ging nicht… und ich musste einsehen, dass ich nun als Begleiterin wichtig bin und alles andere das Problem dieser Familie ist.
• An der Kasse zum Zoo wurde uns viel Anerkennung zuteil, die ich nun schon genießen konnte, weil ich ja nun mittendrin war.
• Den fragend-bewundernden Blicken der Zoo-Besucher machten mich stolz in meiner neuen Rolle!
• Im Restaurant, als die Familie sich fürs Essen bedankte kam wieder der Reflex: „Ich bin die falsche Adresse, hab nix bezahlt, die zwei anderen… ach so, nein, die ja auch nicht… Gerne!“
• Als uns auf der Rückfahrt im Augsburger Gedränge der Innenstadt der Fahrer eines anderen Krankenwagens per Handzeichen grüßte, Wilfried dies nicht sah, weil er sich konzentrieren musste und ich mich nur traute, mit dem Kopf zu nicken, weil ich dachte „nein, du täuschst dich, bin keine Kollegin, ich bin heute nur zufällig dabei!“ Was ich im Nachhinein sehr unhöflich von mir fand…
Das sind rückblickend viele Situationen gewesen, die meine Aufregung rechtfertigen. Ich schreibe sie deshalb auf, um mir darüber klar zu werden, fürs nächste Mal daraus zu lernen und auch deswegen um vielleicht andere Neulingen einmal gut abholen zu können, wenn ich selbst dann zu den alten Hasen zähle!
Liebe Ines, vielen Dank für deine offenen Worte.

Unsere Wunscherfüller:
Wilfried, unsere neue Ines und Ines.